Eleonore Gregori, Programmmacherin Pixi-Bücher

[Dieses Interview haben wir für die Zeitschrift Nido geführt. Nido hat eigene Fotos gemacht, der Text steht dort inzwischen nicht mehr online. Daher hier nur vereinzelte Bilder.]

Die aktuelle Nido

Pixi-Bücher sind kleine Bilderbücher, die jeder kennt. Sie haben dieses markante 10×10-Format, das übrigens auch geschützt ist, das erkennt man. Was aber vielen nicht so klar ist: Es sind Bilderbücher. Es sind zwar Geschichten, die man lesen kann, sie werden ja auch vorgelesen, aber es sind immer Bilderbücher. Sie sind für Kinder gemacht, die noch nicht selbst lesen können. Auch wenn es viele ältere Kinder gibt, die gerne Pixi-Bücher lesen – gemacht sind sie für das Kindergartenalter. Also für Kinder von drei bis sechs oder sieben Jahren ungefähr. Das ist schon eine ziemlich große Zielgruppe, weil in dieser Altersgruppe entwicklungspsychologisch so viel passiert. Ein Kind, das gerade dem Pappbilderbuch entwachsen ist, das drei Jahre alt ist und jetzt in den Kindergarten geht, ist auf einem ganz anderen Niveau als ein Kind, das sich auf die Schule vorbereitet.

„Mit Pixi in die Schule“ machen wir auch ab und zu, das sind dann Titel wie „Mein erster Schultag“, „Hansi und die Schultüte“, „Mein erster Ausflug“, „Conni geht zur Schule“. Entängstigende, schulstartbegleitende Literatur. Das ist dann für die Großen innerhalb unserer Altersgruppe. Natürlich lesen die Kinder auch, wenn sie dann selbst lesen können, noch Pixi-Bücher. Aber eigentlich sind sie für Kinder gemacht, die noch nicht lesen können, das Bild hat immer Vorrang.

Pixi-Bücher haben immer 24 Seiten, das ist festgelegt. Die Autoren kriegen von mir eine maximale Textlänge vorgegeben. Wir können nicht ein paar Seiten mehr dranhängen, und wir wollen auch keine Bleiwüste. Und die Bilder sollen so gemacht sein, dass das Kind auch allein blättern und sich von Seite zu Seite einigermaßen schlüssig die Geschichte zusammensetzen kann.

In einer Pixi-Kiste sind immer 8×8 Bücher, also 64 Bücher. Acht verschiedene Titel, je achtmal. So sind sie gepackt, so werden sie angeliefert. Die Buchhändler kaufen diese Kisten komplett, sie kaufen keine Einzeltitel. Es ist sogar so, dass die acht Titel auf demselben Druckbogen gedruckt werden und eine gemeinsame ISBN haben. Deswegen ist auch am Format nichts zu ändern. Ich kann auch für eine noch so schöne Geschichte das Buch nicht mal eben vier Seiten länger machen.

Letztes Jahr haben wir das 60. Jubiläum der Marke Pixi gefeiert. Pixis gibt es seit 1954, und seitdem ist das schon so, es gab immer 8 Titel in einer Kiste. Das ist eines der Geheimnisse, wie man zu so einem günstigen Preis kommt, ein Pixi-Buch kostet ja nur 99 Cent.

Nido-Heft

Jede Pixi-Kiste hat ein übergreifendes Thema. Das wurde früher sehr viel lockerer gehandhabt. Wenn es ein Thema gab, haben sie es draufgeschrieben, Weihnachtskisten und so, manchmal hießen sie aber auch nur „Pixis bunte Bücherkiste“ oder „Geschichten von Würmern und Wichteln“ oder so, das war dann querbeet. Das können wir heute nicht mehr machen. Die Buchhändler möchten genau wissen, was sie einkaufen. Sie möchten einen ganz klar begrenzten Themenbereich, es muss alles erwartbar sein. Nach einigen Jahren bedeutet das allerdings auch, dass es immer wieder dieselben Themen sind. Wenn wir dann doch mal etwas Unerwartetes machen, etwas Abgelegenes, dann kaufen die Buchhändler das nicht. Selbst eine Serie wie „Total tolle Tiere“ ist nicht heiß genug.

Der Buchhandel ist in dieser Hinsicht ärmer geworden. Das nervt die Buchhändler selbst, und es nervt auch die Eltern, überall die rosa Mädchenthemen und die piratigen Jungsthemen. Aber als ich das hier übernommen habe, haben die Vertreter mir von Anfang an gesagt: bitte klar begrenzte Serien. Das wollen die Buchhändler so.

Weihnachten ist natürlich jedes Jahr dran. Ostern ist nicht ganz so groß, das kommt vielleicht jedes zweite Jahr dran. Fußball gibt es immer, wenn EM oder WM ist. „Mit Pixi in die Schule“ machen wir ungefähr alle drei Jahre. Olympia ist für uns nicht groß genug für eine Kiste.

Wir machen vier Boxen im Halbjahr, das sind 32 Bücher. Da kann auch mal ein Remake dabei sein, ab und zu mische ich mal Perlen aus der Backlist unter, weil es einfach schade ist, wenn die nicht mehr aufgelegt werden. Die Backlist ist riesig. Ich habe im Frühjahr 2007 hier angefangen, und alles, was seitdem entstanden ist, kenne ich in- und auswendig. Am Anfang hatte ich noch die Vorstellung, dass ich mich mit der Zeit auch durch die ganzen älteren Jahrgänge lesen würde, aber das war zeitlich nicht zu schaffen. Die Ansprüche haben sich auch sehr verändert, insofern war es dann auch nicht mehr nötig, die kompletten 60er bis 80er Jahre auch noch auswendig zu können. Hin und wieder graben wir da mal durch, wenn wir Material für Adventskalender brauchen oder so.

Unter den vier Kassetten, die im Halbjahr erscheinen, gibt es immer eine mit einem Lizenzthema. Duden-Kinderbücher zum Beispiel, oder „Shaun das Schaf“, „Jim Knopf“, „Bob der Baumeister“, „Freunde der Maus“, „Sesamstraße“, „Hexe Lilli“, „Leo Lausemaus“, „Bobo Siebenschläfer“, da arbeiten wir mit anderen Kinderbuchverlagen oder dem Kinderfernsehen zusammen und kaufen Figuren von ihnen ein. Die Kooperationspartner kommen uns meist relativ bereitwillig entgegen, weil wir Marktführer sind.

Ein Karton Pixi-Bücher

Pixi-Bücher sind meistens Geschichtenbücher. Gern phantasievolle Geschichten von vermenschlichten Tieren, von Kindern usw. Ab und zu haben wir auch mal Sachbücher dazwischen. Er gibt Serien, die heißen zum Beispiel „Ich habe einen Freund, der ist … irgendein Beruf“. Die sind ganz, ganz beliebt. Die entwickele ich hier nicht selbst, sie kommen aus dem Lesemaus-Format, das wir auch hier im Haus haben. Wir kürzen sie für unser Format. Bei dieser Serie ist noch eine fiktionale Geschichte übergestülpt: Ich habe einen Freund, der nimmt mich jetzt mal mit zu seiner Arbeitsstelle oder so etwas. Und dann haben wir noch eine andere Sachbuchreihe, die heißt „Entdecke deine Welt“. „Entdecke die Jahreszeiten“, „Entdecke den Bauernhof“, „Entdecke das Meer“, „Entdecke den Kindergarten“. Das sind richtige Sachbücher, ganz ohne Geschichte. Die Illustrationen zeigen und erklären ganz viel. Und sie sind immer sachlich richtig und erkennbar. Dafür wird auch recherchiert, da gehen die Autoren und Illustratoren erstmal auf die Baustelle oder den Flughafen und machen Fotos.

Wenn die Boxen fertig sind, stelle ich sie unseren Vertretern vor und erkläre ihnen, was jeweils drin ist. Die Vertreter sagen manchmal, wenn sie den Buchhändlern unsere Bücher präsentieren, dann haben sie meine Begeisterung von der Präsentation wieder im Ohr. Das ist mein Ziel.

Grundsätzlich gilt: Pixis sind Vielfalt. Es soll für jeden Geschmack und für alle Themen etwas dabei sein. Innerhalb einer Serie ist jeweils eine möglichst große Bandbreite gefragt. Die Märchen sollen nicht alle dieselbe Optik haben, sondern möglichst unterschiedlich sein. Das Thema Fußball soll mal sachbuchartig, mal völlig skurril oder überraschend angegangen werden. Da sollen spannende Geschichten drin sein für Kinder, die schon Fußballfans sind. Mädchen sollen auch nicht vergessen werden. Es muss aber auch für kleinere Kinder passen, die bisher nur gemerkt haben, dass Papa ganz aufgeregt ist, wenn Fußball im Fernsehen ist, und das also ein Riesenthema zu sein scheint, die aber noch gar nicht wissen, worum es eigentlich geht. Acht Fußballcover nebeneinander sehen übrigens schnell langweilig aus. Unten grün, oben hellblau, in der Mitte ein Ball und ein oder zwei Kinder. Um das zu vermeiden, kann man sich ganz tolle Sachen einfallen lassen. Wir nehmen zum Beispiel gerne tierische Protagonisten. Einen Maulwurf, der umziehen muss, weil auf einmal ein Bagger durch seine Wohnung rumpelt, und dann baut er seine neue Wohnung dummerweise genau unter einen Fußballplatz. Kaum hat er sich eingerichtet, geht schon wieder das große Rumpeln los. Er meint schon zu wissen, was los ist, und kriegt die Panik. Erst verkriecht er sich unterm Bett und zieht sich die Decke über den Kopf, dann will er aber doch mal nachsehen. Also gräbt er sich raus, und kaum steckt er in der Nähe der Torlinie den Kopf aus der Erde, kommt der Ball angeflogen, wird durch den Maulwurf abgefälscht und geht ins Tor. Danach ist er das Maskottchen des Vereins. Solche Geschichten bringen Abwechslung rein.

Die Conni-Reihe wird von Kindern geliebt, von Eltern manchmal weniger. Weil Conni immer alles gelingt. Conni durchlebt alle Alltagssituationen, die Kinder eben erleben, das ist für die Eltern nicht sonderlich spannend. Aber den Kindern nimmt es oft die Angst, zum Beispiel vorm Zahnarzt, wenn sie die Situation vorher schon im Kopf durchspielen können und dann wissen, was sie dort erwartet. Mit Conni ist uns auch etwas gelungen, was nur ganz selten klappt, wir haben sie in andere Altersstufen weiterentwickelt. Es gibt Conni-Romane für Siebenjährige und für Ältere. Conni macht mittlerweile auch schon Teenagererfahrungen. Sie bleibt natürlich ein behütetes Mädchen, das schon den rechten Weg finden wird, sicher wird sie nicht drogenabhängig. Aber je älter sie wird, desto politischer wird es auch.

Normalerweise ist bei den Pixi-Büchern der Text zuerst da. Damit gehe ich dann zum Illustrator und sage: Ich habe hier eine tolle Geschichte, da habe ich an Sie gedacht. Es kann auch mal sein, dass Illustratoren anfragen, haben Sie nicht ein Thema für mich. Die Themen und die grobe Richtung gebe ich immer vor.

Ich möchte eine große Bandbreite bedienen. Natürlich habe ich den Anspruch, das so gut wie möglich zu machen. Also mit den Autoren und Illustratoren, die ich in der jeweiligen Zeitspanne kriegen kann – gute Illustratoren sind nämlich manchmal sehr lange im Voraus ausgebucht.
Sprachlich habe ich einen ganz hohen Anspruch. Im Zweifel beschäftige ich die Duden-Sprachberatung, wenn etwas nicht ganz klar ist. Es soll alles auf jeden Fall richtig sein. Auch in wörtlicher Rede.

Wir kriegen tatsächlich Beschwerden zu Sätzen wie „Conni macht Musik“. Ob wir das nicht etwas gepflegter hätten ausdrucken können? „Conni musiziert?“ Das geht zu weit, denn der einfache Stil ist hier gewollt. Aber ansonsten bin ich sehr pingelig.

Wir kriegen auch viel Kinderpost. „Hallo Pixi, ich bin 4 Jahre alt und habe dann und dann Geburtstag.“ Oder „Pixi, ich hab dich lieb.“ Das wird alles beantwortet. Wir haben hier Kolleginnen, die nur Leserpost bearbeiten. Manchmal gibt es einfach nur begeisterte Zuschriften, ansonsten schreiben die Eltern aber eher, wenn sie etwas zu meckern haben. Wenn man unzufrieden ist, macht man sich wohl eher die Mühe. Ärger mobilisiert mehr als Freude. Oft kriegen die Leute dann eine Erklärung und Ersatz geschickt, wir sind da sehr freundlich. Interessant an den Beschwerden ist, dass fast alle mit einem Loblied auf Pixi anfangen.

Der Name Pixi ist vom englischen Pixy abgeleitet, das sind kleine Waldgeister, Kobolde, Gnome, Wichte. In Irland sind sie sehr präsent. Und weil es so kleine Koboldbücher sind, so lustig und unkonventionell und so eine Welt für sich neben den großen und seriösen Büchern, klein, frech und vielfältig, in diesem Sinn hat der Verlagsgründer und Erfinder der Reihe den Namen Pixi gewählt. Die Figur Pixi wurde dann erst in den Achtzigern entwickelt und hat sich seitdem mehrfach verändert.

Per Carlsen hat den Carlsen-Verlag gegründet, zu dem wir gehören. Er begann mit Comicstrips in Zeitungen, mit Petzi. Die hat er in Dänemark und dann auch im Nachkriegsdeutschland, in den frühen Fünfzigern, an Zeitungen verkauft. Damit war er sehr erfolgreich, so sehr, dass er es gewagt hat, damit in Deutschland eine Niederlassung zu gründen. Mit Petzi als Marke.

Die Autoren der Pixi-Bücher sind meist nicht so bekannt, die Illustratoren schon eher. Viele arbeiten immer wieder gerne für Pixi. Weil sie dieses kleine Format mögen, und weil es einfach Kult ist. Weil es auch immer wieder eine Herausforderung ist, auf so kleinem Raum zu arbeiten. Und weil sie wissen, dass sie damit die größtmögliche Menge von Kindern erreichen. Wir haben also Illustratoren, die auch für andere Verlage arbeiten und die ihre eigenen Bilderbücher machen. Die vielleicht auch hier im Haus mit großen Bilderbüchern gut im Geschäft sind.

Ich helfe den Autoren und Illustratoren mit meinem distanzierteren Blick – einerseits professionell, andererseits sage ich immer, ich bin auch der erste Test bei der Frage: Versteht man eigentlich, worum es in der Geschichte geht? Warum passiert jetzt was? Oder fehlt ein Zwischenschritt? Wenn ich Leuten, die ihr Handwerk gut verstehen, dabei helfen kann, zu optimalen Ergebnissen zu kommen, das ist toll.

Pixi-Bücher

Am allermeisten Spaß macht es, tolle Geschichten zu entwickeln. Meine Autoren tragen oft großartige Ideen an mich heran. Mit ihnen zusammen diese Ideen so zurechtzurücken, dass die Geschichte auf 24 Seiten passt, gut erzählbar ist, dass die Gewichtung, der Spannungsbogen und die Sprache stimmen, dafür den idealen Illustrator zu gewinnen und ihn im gleichen Sinn zu betreuen, das ist ganz wunderbar.

Auch die Komposition der 8 Titel, dass etwas für Ältere und etwas für Jüngere dabei ist, etwas aus dem Mainstream und etwas Künstlerisches, etwas Großformatiges und etwas Kleinteiliges, etwas am Computer Gemachtes und etwas von Hand Gemaltes … also ein Thema achtmal ganz unterschiedlich anzugehen und zu interpretieren, da die ideale Kombination zu finden, das ist auch eine besondere Freude.

Und es sind ganz wunderbare Menschen, mit denen ich hier zu tun habe. Ernsthafte Erwachsene, die ihre Lebensarbeit guten Geschichten für Kinder widmen. Und sich so etwas ausdenken wie diesen Maulwurf, der schon wieder umziehen muss. Oder andere lustige Bilder entwickeln. Mit großem Können, mit einem wahnsinnig guten psychologischen Blick, der sich übersetzt in die Haltung einer Figur, die nicht zuhören will oder so. Das ist eine Freude! Es sind einfach tolle Menschen, die so etwas machen.

Pixis finden wirklich in jedes Kinderzimmer. Nicht jedes Pixi in jedes Kinderzimmer, aber jedes Kind in Deutschland hat mehrere Pixi-Bücher. Und ich weiß, wie prägend die Geschichten und Bilder in der Altersgruppe sind. Es gibt schon lange auch einen Sammlermarkt für Pixi-Bücher. Es gibt richtige Freaks. Im Internet kann man Preise bis zu zwanzig, dreißig Euro für ein altes, vergriffenes Pixi-Buch finden.

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