Daniel Beskos und Peter Reichenbach, Verleger

Das hier ist unser Ladenbüro und unser Verlagsbüro. Wir teilen uns das mit einem kleinen Plattenlabel und haben das Glück, dass vorne das kleine Ladenlokal dabei ist, in dem wir unsere Bücher und Platten verkaufen und kleine Veranstaltungen machen können. Aber primär ist es unser Büro, in dem unser Verlag sitzt.

Mairisch-Büro
Mairisch ist ein Independent-Verlag für Literatur, inzwischen auch für Sachbuch, Hörspiel, Graphic Novel, Musik … Wir veröffentlichen sehr wenige, ausgewählte Bücher, meistens von jungen Autorinnen und Autoren. „Jung“ heißt, dass manche zwar auch schon Mitte vierzig sind, aber in der Literaturszene zählt das immer noch als „Nachwuchs“. Es geht eher um die Haltung, die dahintersteckt. Uns ist zum Beispiel wichtig, dass die Autorinnen und Autoren Lust darauf haben, Lesungen zu machen, Veranstaltungen und sowas. Manche sind auch literarisch noch „jung“, es sind viele Debüts dabei. Wir haben in den letzten Jahren viele Autoren entdeckt und versuchen dann, sie langfristig zu begleiten, über die ersten Veröffentlichungen hinaus. Auch die ganze E-Book-Welt sollte unsere Autoren nicht abschrecken, und die Gestaltung soll ein bisschen jünger und moderner sein. Das sind alles Dinge, die man mit manchen Autorinnen gut machen kann und mit anderen vielleicht nicht so gut. Es geht also eher um das geistig Junggebliebene.

DFie Hände von Daniel Beskos

Früher war es etwas leichter, junge Autoren zu entdecken, für die sich noch kein großer Verlag interessiert hat, und mit denen Bücher zu machen. Jetzt ist es oft so, dass wir Autoren entdecken, die wir spannend finden, aber dann haben die nicht nur schon eine Agentur, sondern auch Kontakte zu großen Verlagen, mit denen sie schon verhandeln. Das liegt, glauben wir, daran, dass es heute mehr Agenturen gibt, dass diese den Debütanten mehr Aufmerksamkeit schenken und nach immer neuen Autoren suchen, und dass die Verlage das genauso machen. Die Verlage wollen heute in jeder Saison mindestens ein spektakuläres Debüt. Sie gehen deswegen auch mehr auf Veranstaltungen wie das Prosanova Festival in Hildesheim oder den Open Mike in Berlin. Die Verlage haben viel mehr Interesse an neuen Autoren als früher.

Und die Autoren sind auch professioneller geworden, es ist ja viel leichter heute, sich schlauzumachen, wie die Verlagswelt funktioniert und wie man ein Buch unterbekommt.

Die Hände von Peter Reichenbach

Theoretisch ist es auch ein Problem, dass wir nicht so gut zahlen können wie die großen Verlage. Lange Zeit war es so, dass wir gesagt haben, wir können das gut kompensieren durch andere Leistungen. Wir wollen halt nicht nur irgendein Verlag sein, mit dem man mal ein Buch macht, als einzelnes Produkt, sondern wir wollen sowas wie ein Heimathafen für die Autoren sein, dadurch, dass wir sehr viel außenrum mitorganisieren, was das Autordasein betrifft. Also Preiseinreichungen, Stipendienbewerbungen, aber auch für das Buch selbst, wir machen ein intensives Lektorat, gerne auch über einen langen Zeitraum, wenn gewünscht. Oder wir helfen bei Recherchen. Und das ganze Booking machen wir über die Jahre hinweg, zum Teil auch über die Bücher bei uns hinaus. Bei Finn-Ole Heinrich etwa machen wir das im Moment auch für alle Sachen, die in anderen Verlagen erscheinen, bei Hanser im Kinderbuch zum Beispiel. Finn hat sehr viele Termine, irgendwer muss das ja koordinieren, das kann ja nicht an zwei Stellen gemacht werden. Also haben wir gesagt, wir würden das gerne weitermachen.

CD von Finn-Ole Heinrich

Wir sind auch da, wenn unsere Autoren Texte für Wettbewerbe einreichen, die noch gar nicht zur Veröffentlichung gedacht sind. Manchmal sagen Autoren, ich habe hier einen Text für einen Wettbewerb, könnt ihr den mal lektorieren, oder ich schreibe was für eine Zeitschrift, könnt ihr da mal draufgucken … das gehört dann zur Rundumbetreuung dazu. Oder man fährt mal mit einem Autor an den Schauplatz seines Buches, um zu recherchieren.

Wir bemühen uns, eine sehr gemeinschaftliche Arbeitsweise anzubieten. Das fängt beim Lektorat an und geht weiter bei der Mitbestimmung, wie das Cover aussieht, wie das Buch aussieht und so weiter. Wir hören von Autoren, die bei anderen Verlagen veröffentlichen, dass sie manchmal nur zwei Cover-Vorschläge bekommen, und dann können sie sich aus den beiden einen aussuchen. Bei uns fängt das schon ganz anders an, wir fragen zuerst den Autor, was er sich vorstellt, was für Cover er gerne mag, welche Schriften er gut findet … Wir wollen, dass der Autor von Anfang bis Ende mitbestimmen kann.

Platten von Mairisch

Wir beide leben inzwischen vom Verlag. Dann ist da noch Blanka Stolz, die den Verlag mit uns gegründet hat. Sie lebt jetzt in Berlin und hat da einen anderen Job, betreut aber z.B. noch unseren Twitter-Account. Ansonsten hat sie viel im Job zu tun. Aber sie ist immer noch unsere Beraterin und Mit-Inhaberin, sie begleitet uns jetzt schon seit 1997.

Mit Steffi Ericke arbeiten wir auch schon 10 Jahre zusammen, sie ist ebenfalls in Berlin und bei uns für die Pressearbeit zuständig. Dann haben wir Hannah Zirkler mit einer halben Stelle, sie macht Verlagsassistenz, Presse, Veranstaltungen, demnächst Lizenzen, das wollen wir ein bisschen mehr ausweiten. Außerdem macht sie manchmal Lektorate mit, und sie übersetzt jetzt einen Text für uns. Die anderen werden nach Aufwand bezahlt, Judith von Ahn etwa, die lange Jahre unsere Lesungen betreut hat, oder auch Marijke Schwarz, die Gutachten geschrieben hat. Und natürlich unsere Grafikerin Carolin Rauen.

Daniel Beskos

Dass wir beide wirklich vom Verlag leben, ist noch nicht lange so, etwa drei Jahre. Mairisch war ja gar nicht als Verlag oder als Unternehmen oder Beruf geplant. Es hat alles zum Ende unserer Schulzeit mit Lesungen in Südhessen begonnen, wo wir alle drei – Daniel, Blanka, Peter – herkommen. Da haben wir kleine Lesungen in einem Kulturzentrum organisiert, mit Autoren aus unserem Freundes- und Bekanntenkreis. Es war sehr gut besucht, alle fanden es toll, und wir haben es dann monatlich gemacht. Nach der dritten Veranstaltung kam die Frage, ob man die Texte auch kaufen könne. Konnte man natürlich nicht. Also haben wir so kleine Hefte mit den Texten vom letzten Mal selbst auf dem Computer zusammengelayoutet und sie zusammengetackert und Fotos reingeklebt – echte! – und einen aufwändigen Umschlag gemacht, auch was aufgeklebt … und diese Dinger haben wir dann in einer Auflage von 100 oder 150 Stück bei der nächsten Veranstaltung verkauft, für zwei Mark. Auch weil wir uns auf der Frankfurter Buchmesse darüber echauffiert haben, wie teuer Kleinauflagen waren – Lyrikbände auf Büttenpapier für vierzig Mark oder so! Wir fanden, das kann nicht sein, Literatur muss zugänglicher sein.

Peter Reichenbach

Dann sind wir zum Studium in verschiedene Städte gegangen und haben da Leute kennengelernt, die literaturaffin waren, oder die Literaturveranstaltungen machten. Wir haben ein bisschen Radio gemacht, eine Literaturzeitschrift herausgegeben, dann haben wir von Marburg aus Lesereisen mit jungen Autoren durch ganz Deutschland veranstaltet. Da haben wir uns zu fünft ins Auto gesetzt und sind herumgefahren und haben überall Lesungen gemacht. Wir selbst haben auch vorgelesen und noch zwei, drei Leute mit eingepackt, und in jeder Stadt, in der wir Leute kannten, die auch selbst aktiv waren, haben die eine Kneipe organisiert, wo wir lesen konnten, und dann haben wir abends bei denen gepennt. Darüber haben wir jede Menge Leute kennengelernt, viele von denen sind auch heute noch im Literaturbetrieb.

Mairisch-Bücher

2001/2002 sind wir beide nach Hamburg gekommen, Blanka ist nach Berlin gegangen. In Hamburg haben wir dann wieder eine monatliche Lesereihe organisiert, zusammen mit minimal trash art, die hieß Transit. Darüber haben wir regelmäßig erstens Autoren kennengelernt und zweitens Aufmerksamkeit in der Presse bekommen. Und wir haben auch das ganze literarische Leben in Hamburg kennengelernt. Was toll war, weil damals Berlin voller Lesebühnen war, wo wöchentlich tagesaktuelle, lustige Texte gelesen wurden, in Hamburg hatten die Leute aber Lust auf ernste Prosa. Da hat das ganz gut gepasst.

In der Zeit, 2003 oder 2004, hatten wir dann auch ein paar Manuskripte vorliegen, von denen wir dachten, die sind sehr toll, die würden wir gerne in etwas größerem Umfang veröffentlichen, so richtig mit Druckerei und einer Auflage, und wie kriegt man eigentlich eine ISBN, wie kommt man in die Buchhandlungen rein, wie kommt man in den Online-Handel … all diese Dinge mussten wir uns dann selbst beibringen. Aber das haben wir ja schon immer so gemacht, dass alles nicht gelernt ist, keiner von uns hat eine Ausbildung im Verlagswesen oder so. Wir haben einfach learning by doing, beziehungsweise do it yourself gemacht.

Mairisch-Bücher

So haben wir die ersten Bücher rausgebracht, darunter war auch das erste von Finn-Ole Heinrich, „Die Taschen voll Wasser“. Das war gleich relativ erfolgreich, wir haben ziemlich viel Presse bekommen. Und da haben wir gemerkt, dass eine 500er-Auflage doch ein bisschen knapp gedacht ist und haben mehr gemacht.

Es war schnell klar, dass es funktionieren kann, wenn man professionell an das Ganze rangeht, schöne Bücher macht, sie richtig drucken lässt, in den Handel geht, Presse kriegt – dass man dann sogar ein paar verkaufen kann. Ab da haben wir das regelmäßig gemacht, also wirklich im Halbjahresrhythmus Programme veröffentlicht, kleine Vorschaukataloge drucken lassen, alles.

Mairisch Programmheft

Seitdem hat es sich immer mehr ausgeweitet, wir haben unser Team verstärkt, Steffi Ericke hat als Pressefrau bei uns angefangen, weil wir von Presse keine Ahnung hatten. Dann haben wir noch jemanden für Veranstaltungen dazugenommen, und so ist es nach und nach ein richtiger Verlag geworden, der nach außen hin manchmal größer wirkt, als er eigentlich ist. Der aber immerhin unsere Firma ist, unser Beruf!

Startkapital hatten wir nie. Wir drei haben vor Ewigkeiten jeder fünfzig Mark in die Kasse getan, und das war alles, was jemals reingetan wurde. Und ganz am Anfang haben wir mal ein Hörspiel gemacht, das hatten wir selbst geschrieben und haben es professionell mit Sprechern in Wien aufgenommen, das ging über einen dieser Hochschulkontakte. Das haben wir dann bei einem Wettbewerb in Leipzig eingereicht und haben diesen Preis gewonnen, und dadurch kamen wir mit der ganzen Hörspielszene in Verbindung. Es wurde einmal im Deutschlandradio und einmal im SWR ausgestrahlt, und diese Honorare, die da kamen, haben wir auch in die Verlagskasse gesteckt. Aber wir haben nie Kredite aufgenommen oder größere Summen irgendwoher investiert. Was lustig ist, denn wenn jetzt auf Podiumsdiskussionen über Verlagsgründungen geredet wird – Kinderbuchverlag XY ist gegründet, von drei gestandenen Lektorinnen zum Beispiel – dann heißt es, sie haben 150.000,- € Startkapital aufgenommen, und wir denken: Wahnsinn.

Mairisch-Bücher

In den Medien sind wir schon einigermaßen präsent, aber es wird nicht einfacher. Es gibt immer weniger Plätze, wo Bücher besprochen werden, und es gibt auch die Tendenz, nur noch die Spitzentitel zu besprechen. Das ist eine ganz kleine Gruppe, zehn, fünfzehn Bücher pro Saison, die überall präsent sind, von den großen Feuilletons bis in die kleinsten Stadtmagazine. So nischig ist unser Programm gar nicht, aber wir fühlen uns oft so, weil wir den Medien oft einfach zu klein sind.

Blogs sind da eine sehr schöne Entwicklung, und manchmal haben wir Glück und sind da recht präsent. Aber die sind auch nur ein kleiner Teil vom Ganzen. Wenn man ein Buch richtig gut verkaufen will, muss es auf allen Ebenen gut funktionieren: Veranstaltungen, klassisches Feuilleton, Radio, Blogs, die sozialen Medien.

Eine Zeitlang stand auf unserer Webseite, wie man uns am besten Manuskripte schickt. Da haben wir mindestens fünf pro Woche bekommen, eher fünfzehn. Es ist unglaublich, wie viele Autoren es gibt. Wir haben in drei, vier Jahren bestimmt tausend Manuskripte gelesen. Nichts davon ist etwas geworden. Da haben wir schließlich auf die Webseite geschrieben: Bitte schickt uns nichts mehr. Es kommen trotzdem noch drei Stück pro Woche. Irgendwie ist das aber der falsche Weg, einen Verlag zu finden. Meistens geht es eher über Kontakte, über Empfehlungen, über Lesungen, dass man jemanden hört oder so.

Mairisch-Büro

In Hamburg ist es etwas schwieriger geworden, Autoren zu finden, weil es kaum noch Lesereihen gibt. Agenturen sind auch ein Kanal, und dann natürlich die Schreibschulen in Leipzig und Hildesheim. Wir finden schon, dass die gut sind, auch wenn darüber viel gelästert wird. Florian Wacker war dort, Donata Rigg, oder auch Lisa Kreißler. Die schreiben sehr unterschiedlich, aber alle auf ihre Weise gut.

Es ist absurd, wie früh Agenten inzwischen reinspringen, man hört immer wieder Geschichten von Manuskripten, von denen es zwanzig, dreißig Seiten gibt, von einem Autor, der noch nie vorher was geschrieben hat, und dann wird das schon von einer Agentur aufgegriffen und von sieben Verlagen hochgesteigert. Und das kann nicht wahr sein. Das Buch ist ja zu 80% nicht mal geschrieben! Man weiß noch gar nicht, ob es gut wird oder nicht. Wir haben gar keinen Bock, da mitzustreiten, wer jetzt den neusten heißen Scheiß entdeckt hat. Da muss man nicht mitmachen, zumal wir ja finanziell auch gar nicht mitmachen können.

Mairisch-Büro

Deswegen ist unsere Herangehensweise anders. Wir wollen natürlich die Autoren, die wir haben, bestmöglich betreuen. Wir wollen eigene Ideen entwickeln, zusammen mit den Autoren. Für Romane jetzt nicht unbedingt, aber für Sachbücher zum Beispiel. Und wir haben relativ wenige Veröffentlichungsplätze pro Jahr, sodass es immer schnell voll ist. Wir machen nur drei Titel pro Halbjahr. Wenn man dann noch einrechnet, dass wir einmal im Jahr den Graphic-Novel-Preis AFKAT haben, hin und wieder Musik oder eine Hörspiel-Compilation, dann brauchen wir nicht jedes Halbjahr ein Debüt. Mehr als drei oder vier Bücher würden wir gar nicht machen wollen, weil wir das gar nicht betreuen könnten. Eher noch weniger. Mit einem Buch, das man richtig gut betreut, kann man viel mehr Geld verdienen als mit vier oder fünf Titeln, die parallel erscheinen und für die man nur ein bisschen was tun kann.

Es gibt einfach zu viele Bücher. Wir finden, das Motto muss sein: weniger Bücher, ausgesuchtere Titel, und sich um die dann richtig kümmern. Natürlich erscheinen jede Saison in Deutschland tolle neue Bücher. Die meisten davon würden wir aber weder entdecken noch kriegen.

Mairisch-Programmheft

Wir arbeiten sehr gut zusammen. Seltsamerweise sind wir gerade, was die inhaltliche Arbeit angeht, eigentlich immer auf einer Wellenlänge. Es war noch nie so, dass einer gesagt hat, das Buch will ich unbedingt machen, und der andere sagt, das geht ja gar nicht. Im Gegenteil.

Mairisch-Prospekt
Wir schwanken manchmal ein bisschen um die sogenannten 80%-Titel rum, wo man sagt, ja, das könnte man machen, ist ganz cool, so richtig vom Hocker reißt es mich zwar nicht, aber die Autorin ist super, das sollten wir trotzdem machen. Bei solchen Titeln eiern wir manchmal ein bisschen. Aber da ist es trotzdem immer so, dass die Entscheidungen hinterher eindeutig sind. Das einzige, wo wir manchmal wirklich komplett unterschiedlicher Meinung sind, auch im erweiterten Team, nicht nur wir beide, ist die Gestaltung. Wie das Buch aussieht. Bei der Optik haben natürlich auch die Grafikerin und der Autor mitzureden, da lagern wir die Entscheidung manchmal ein bisschen aus oder stimmen ab.

Mairisch Wandregale

Unsere Aufgabe ist es, dass die Autoren von ihrem Beruf irgendwann leben können, und zwar in einer Freiheit und Selbstbestimmtheit, wie sie es haben wollen. Wir sind das Team außenrum. Im Moment könnten das schon einige unserer Autoren, viele haben aber noch einen anderen Beruf, den sie auch gerne machen. Wir haben jetzt aktiv vielleicht 15 Autoren, und ein paar leben wirklich davon, so drei oder vier. Die anderen gemischt, und dann gibt es noch ein paar, die eher so am Rande schreiben.

Es gibt auch Autoren, die sagen, ich habe keinen Bock auf Lesungen, meine Aufgabe ist das Schreiben. Wir dagegen sehen es eher wie bei Musikern, die haben auch nicht den Anspruch – wenn sie nicht gerade Giorgio Moroder heißen – dass sie zu Hause sitzen und Songs komponieren, die dann irgendwer anders spielt. Sie schreiben es und führen es auf, jedenfalls in der Popmusik. Wieso will ein Autor einen Text schreiben, und ihn dann nicht vorlesen?

Das setzt natürlich eine Literatur voraus, die auch gut vorlesbar ist, und es setzt auch eine bestimmte Art von Mensch voraus, die auch bühnentauglich ist und so.

Mairisch-Inneneinrichtung

Plattenspieler im Mairischverlag

Manchmal sitzen wir vielleicht mit einem Autor in der Kneipe und haben irgendeine bescheuerte Idee, und zwei Jahre später gibt es ein tolles Buch mit einer Tour dazu, oder es gibt einen Trailer, alles ist fertig, und wir haben jeden einzelnen dieser Schritte begleitet, mitgestaltet, mitgelenkt, aber mit anderen Leuten zusammen, mit Input oder mit Inhalten, die man selbst nicht hingekriegt hätte. Wir sind oft Strukturgeber – die Leute haben eine Idee, und dann sagen wir: okay, dann könnten wir das so und so machen, was hältst du davon, und dann nehmen wir das noch dazu, und so weiter. Wir bringen ein bisschen Ordnung in die Dinge.

Grafik im Mairischverlag

Nach zwei Jahren Arbeit an einem Buch kann man oft gar nicht mehr richtig beurteilen, ob es jetzt gut ist oder nicht. Und dann kommt die Buchpremiere, und da sitzen 120 Leute, die das alle zum ersten Mal hören und es toll finden, dann merkt man wieder: für diesen Moment haben wir es gemacht. Und für alles, was danach kommt. Aber dieser erste Moment, wo ein Inhalt auf ein Publikum trifft, der ist immer heikel. Oder die erste Rezension – wir sind immer noch nervös, auch nach 50, 60 Veröffentlichungen sind wir immer noch nervös, wenn ein Titel zum ersten Mal besprochen wird.

Oder wenn das Buch aus der Druckerei kommt, das ist auch immer ein besonderer Moment. Wir arbeiten eigentlich immer mit denselben beiden Druckereien zusammen. Die sind in Deutschland, weil es zum einen aus moralischen Gründen fragwürdig fänden, das in Osteuropa oder gar in China machen zu lassen, und zum anderen ist die Kommunikation einfacher. Und wenn man die Dinge genau so haben will, wie man sie haben will, und nicht mit Ersatzpapieren oder so, dann kostet es sowieso überall fast das gleiche.

Mairisch-Programmheft

Das allerschönste daran ist eigentlich kein konkreter Moment, sondern eher das Gesamte: dass aus einer kleinen Idee damals in Hessen das hier geworden ist, dass wir jetzt immer noch als beste Freunde zusammen arbeiten und selbstbestimmt unser Leben verbringen.
Das ist wirklich toll, dass wir die Freiheit haben, selbst zu bestimmen. Dass wir einfach sagen können: Songtexte sind für uns auch Literatur, also machen wir jetzt mal ’ne Platte. Mit zehn Songs drauf. Einfach, weil wir es geil finden. Oder Hörspiele! Wir haben die Freiheit, das zu machen, worauf wir Lust haben. Natürlich müssen wir gucken, dass die Sachen sich inhaltlich rechtfertigen, die müssen schon Hand und Fuß haben und stimmig sein, vom Inhalt über die Gestaltung bis zur Präsentation.

Mairisch-Programmheft

Allerdings ist es schon so, dass wir bei manchen Projekten nicht unbedingt Geld verdienen. Da versuchen wir, wenigstens auf Null zu kommen. Bei anderen Veröffentlichungen dagegen sagt man, damit könnte man ja jetzt mal Geld verdienen. Teilweise sind das auch Glücksfälle, zum Beispiel bei der Philosophie des Radfahrens. Wir hatten vorher noch nie ein Sachbuch gemacht, da hatten wir keine Kontakte, weder zu Buchhändlern, noch zu Journalisten, und dass das dann so super funktioniert hat, damit haben wir nicht gerechnet.

Das mit den Graphic Novels und dem AFKAT-Preis war auch so ein Zufall. Der Preis ist von einem Anwalt gestiftet, der einmal im Jahr eine Ausschreibung für eine künstlerische Graphic Novel macht. Und er suchte jemanden, der die veröffentlicht und hat uns gefragt. Er hat sich eine Jury zusammengestellt, der wir auch beisitzen, der Gewinn ist die Veröffentlichung bei uns. Die Autoren bekommen einen ganz normalen Buchvertrag, und dementsprechend kriegen sie dann auch Geld vom Verkauf. Und wir bekommen einen Zuschuss zu den Produktionskosten. Die sind bei Graphic Novels teilweise so hoch, dass wir unsere Ausgaben sonst nicht so leicht wieder reinkriegen würden.

Mairisch-Bücher

2013 haben wir uns den Indiebookday ausgedacht, der in diesem Jahr zum dritten Mal stattgefunden hat. Da geht es um die Präsenz von Büchern aus Indieverlagen in Buchhandlungen. Es gibt so viele wirklich tolle Veröffentlichungen aus kleinen Verlagen, die nur selten Aufmerksamkeit finden. Wir dachten damals, dass es ja den Record Store Day gibt, einen Tag im Jahr, an dem man eventmäßig in einen Plattenladen geht und sich da bestimmte Veröffentlichungen, bestimmte Läden und Labels anguckt, was man sonst vielleicht nicht machen würde. Das ließ sich relativ einfach auf den Buchmarkt und auf Indieverlage übertragen. Wir wollten einen Event-Tag haben, am besten im Frühling, denn im Herbst ist das Weihnachtsgeschäft so dominant. Die schönsten Bücher aus kleinen Verlagen sollten für einen Tag im Vordergrund stehen. Und das sollte erstmal nicht durch die Medien oder den Handel kommuniziert werden, sondern durch die Leser, die in den sozialen Netzwerken zeigen, welches Buch sie gekauft haben. Sie sollen auf Facebook, Twitter und Instagram und in ihren Blogs Bilder von den Büchern posten und sich gegenseitig Bücher empfehlen. Und das hat von Anfang an sensationell gut funktioniert! Dass es überschwappen würde in den Handel, war vielleicht vorauszusehen, aber in dem Ausmaß haben wir nicht damit gerechnet, dass so viele Buchhandlungen mitmachen und Plakate aufhängen und Schaufenster und Tische dekorieren und alles. Teilweise machen sogar die großen Buchhandlungen mit, Ketten wie Heymann in Hamburg oder das Kulturkaufhaus Dussmann in Berlin, die hatten einen Riesentisch.

Mairisch-Bücher

Dass Buchhändler und Verlage und Leser sich gegenseitig Bücher aus Indie-Verlagen empfehlen und darüber ins Gespräch kommen, funktioniert wahnsinnig gut. Es werden tolle Bücher empfohlen, wir finden da selbst auch immer noch Titel, die wir noch gar nicht wahrgenommen hatten. Es ist auch ein schönes Marketingtool für Buchhändler, das sie nutzen können, aber nicht müssen. Hier rufen inzwischen Buchhändler an und sagen, es wäre außerhalb der Weihnachtszeit ihr umsatzstärkster Tag im Jahr. Das ist natürlich großartig.

Am meisten freut uns, dass es jetzt auch im Ausland losgeht. Es gab mindestens zwei Buchhandlungen in Polen, die mitgemacht haben, in Großbritannien war relativ viel, und in den Niederlanden gab es mindestens 25 Veranstaltungen in 20 verschiedenen Städten. Das ist total super, dass da jetzt so viele andere Länder aufspringen!

Wir hatten vorher jede Menge Radiointerviews und alles mögliche, und alle fragen: was ist denn ein Indieverlag, und woher können die Leser das wissen? Das ist großartig, dass da jetzt so ein Gespräch stattfindet und das alles ein bisschen ins Bewusstsein rückt. Und dass Leser in die Buchhandlung gehen und fragen: Welches Buch ist eigentlich aus einem unabhängigen Verlag?, das ist früher einfach nicht passiert, denn es ist ja auch eigentlich scheißegal. Ein gutes Buch ist ein gutes Buch, egal aus welchem Verlag. Wir machen ja nicht alles besser als die großen Verlage, wir machen nur manche Dinge anders, und wir kriegen halt weniger Aufmerksamkeit für Bücher, die vielleicht genauso gut sind. Das soll einmal im Jahr kurz anders sein.

Daniel Beskos & Peter Reichenbach

»Das allerschönste ist eigentlich kein konkreter Moment, sondern eher das Gesamte: dass aus einer kleinen Idee damals in Hessen das hier geworden ist, dass wir jetzt immer noch als beste Freunde zusammen arbeiten und selbstbestimmt unser Leben verbringen.«

2 Kommentare

  1. Fein!
    (Aber, dass die Verleger so viel beten, hätte ich nicht für möglich gehalten.)

  2. Toll: Buchkultur. Weitersagen.

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