Kathrin Niemeyer, Paramentenweberin
Wir sind hier im ehemaligen Dormitorium des Domklosters Ratzeburg, das war hier also der Schlaftrakt der Mönche. Jetzt ist hier die private Wohnung der ehemaligen Leiterin der Paramentenwerkstatt, Frau Österreich, die jetzt 85 Jahre alt ist. Den Flur benutzen wir zusammen, und auf der anderen Seite ist der eigentliche Werkstattraum.
Wir machen Paramente. Das Wort kommt aus dem Lateinischen und ist zusammengesetzt aus zwei Wörtern: parare heißt bereiten, vorbereiten, und mensa ist der Tisch. Also: den Tisch des Herrn für den Gottesdienst vorbereiten, das steckt in diesem Begriff. Man kann es auch aus parare mentem herleiten, also: den Geist bereiten. Und eigentlich ist es auch beides: indem man den Raum für den Gottesdienst vorbereitet, bereitet man sich innerlich ebenfalls auf den Gottesdienst vor.
Die Paramente hängen vorne an der Front des Altars, und oben dran ist noch ein Stück Tuch, das unter dem Altartuch liegt und das Parament festhält. Oft hängt auch noch eins am Lesepult.
Im Laufe des Kirchenjahres sind verschiedene Farben bestimmend für die Gottesdienste. Wir haben hier ein paar Beispiele ausgestellt, dieses hier ist ein violettes Parament für die Passionszeit und Adventszeit. Der Vorhang im Tempel zerriss in dem Moment, als Christus am Kreuz starb, von oben bis unten. So ist es uns in der Passionsgeschichte berichtet, und das ist natürlich ein Thema, bei dem es sich anbietet, es textil umzusetzen. Wir haben auf einem Hochwebstuhl mit Leinenkette und Schurwollschuss diese violette Fläche gewebt, dann haben wir eine Schere genommen, den Riss ausgeschnitten und weiße Seide dahinter gesetzt, die schon einen Ausblick gen Ostern andeutet.
Entwurf: Dorothee Fiedler
Die Farben sind in ihrer Wirkung abhängig von den Lichtverhältnissen. Wenn ich das Licht verändere, verändert es sich im Ausdruck auch stark. Das ist ein Grund, warum es wichtig ist, dass wir die Paramente immer für einen konkreten Kirchenraum planen und ausführen. Weil die Lichtverhältnisse in unterschiedlichen Räumen und auch die bereits vorhandenen Farben unterschiedlich sind.
„Der Riss“ im Dom zu Bardowick, Entwurf: Dorothee Fiedler. Foto: Horst Lüdeking
Deswegen besuche ich die Kirchengemeinden, für die wir arbeiten, immer mindestens einmal und entwickle mit den Menschen in der Gemeinde eine Idee, was sie haben möchten. Erstmal: wo soll überhaupt ein Parament hängen, und dann: wie groß soll es sein, welches Format soll es haben, es muss ja nicht unbedingt rechteckig sein. Wir haben auch schon gute Erfahrungen mit halbrunden oder asymmetrischen Paramenten gemacht. Wir haben den Anspruch, dass es in den jeweiligen Kirchenraum passen soll. Die Gemeinde soll auch ihre eigenen Ideen und Vorstellungen mit verwirklichen können, damit sie sich mit den Stücken, die sie für ihren Raum anschaffen, gut identifizieren kann. Das Parament soll den Gottesdiensten durch die Farben eine gewisse Prägung geben.
Entwurf: Jörgen Habedank
Wir arbeiten überwiegend mit Gobelintechnik. Wir nutzen aber auch noch andere Techniken, manchmal machen wir zum Beispiel Collagen mit Stickereien und Applikationen. Dies hier ist eine Textilkollage nach einem Entwurf von einem freien Künstler, Jörgen Habedank, die wir für den Kirchentag in Bremen gemacht haben. Das Motto des Kirchentags war der Bibelvers „Mensch, wo bist du?“, und Jörgen Habedank hat dazu eine Collage entworfen. Wir haben dann ebenfalls eine Collage gemacht und einen Digitaldruck weiterbearbeitet, mit Stickerei, Nähmaschinenstickerei, Applikationen. Dieses Parament hat den zentralen Eröffnungsgottesdienst und den ökumenischen Himmelfahrtsgottesdienst auf dem Bremer Marktplatz geziert.
Eine weitere traditionelle Technik, mit der wir hier arbeiten, ist Stickerei. Dies hier ist ein Wandbehang für die Pfingstzeit, mit Schrift gestaltet und mit dem sogenannten Kloster- oder Nonnenstich auf einem handgewebten Leinenstoff von Hand gestickt.
Der Entwurf ist von Dorothee Fiedler, die hier auch noch mehrere andere Entwürfe gemacht hat. Sie hat vor mir die Werkstatt geleitet, und wir arbeiten viel zusammen. Sie findet es immer wieder faszinierend, Text und Textilien zu verbinden, die beiden Wörter haben ja denselben Stamm. Wenn ich Gruppen zu Besuch habe, lasse ich sie immer gern ein bisschen beschreiben, was sie hier sehen. Je nachdem, aus welchem Winkel man es anschaut, verändert sich die Struktur. Man sieht das Feuer vom Himmel fallen, es kommt auf jeden Fall etwas runter. Aber eigentlich sieht es mehr wie Regen aus, wie eine Flüssigkeit. Fast alle Leute, die etwas zu diesem Parament sagen, machen diese Handbewegung nach unten, es ist Bewegung drin. Der Text ist ein Zitat aus dem Alten Testament, bei Joel steht diese Prophezeiung, und dann wird sie in der Apostelgeschichte, in der Pfingstpredigt, noch einmal zitiert: „Und es wird geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, der Herr, da werde ich ausgießen von meinem Geist über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter werden weissagen.“ Relativ viele Leute, die hier zu Besuch kommen, fragen, ob es schon fertig ist. Und es hat ja auch etwas Unfertiges. Aber das ist Absicht, es ist ja eine Prophezeiung. Es ist nicht gleich zu sehen, sondern es wird kommen in den letzten Tagen. Sowas machen wir ganz gerne – Paramente, die sich vielleicht nicht auf den ersten Blick vollständig erschließen, sondern denen man sich ein bisschen meditativ erstmal über die Farbe nähern kann, und über die man auch noch ein zweites oder drittes Mal ins Gespräch kommen kann. Oder vielleicht gibt es mal eine Predigt oder einen Gottesdienst, die sich besonders darauf beziehen. Man soll es immer wieder neu sehen können, zum Beispiel wenn sich das Licht verändert, und man noch mal einen anderen Eindruck von demselben Motiv bekommt. Das finden wir gut, weil diese Paramente oftmals vierzig Jahre am selben Ort verwendet werden, und wenn man dann einmal hinschaut und schon alles darüber wüsste, wäre das schade.
Hier ist echtes Gold aufgenäht, das nennt man Japan-Gold. Wenn es gewebt ist, sieht die Rückseite ungefähr genauso aus wie die Vorderseite, aber wenn man etwas stickt, natürlich nicht. Das Gold wird mit dünnen Seidengarnen auf die Schauseite aufgenäht.
Es sind aber nicht alle Paramente in allen Gemeinden so aufwändig wie unsere. Es gibt auch Kataloge, wo man sie sozusagen von der Stange bestellen kann.
Dies ist ein Hochwebstuhl, der heißt so, weil die Kettfäden senkrecht gespannt sind und der Schuss waagerecht eingefügt wird. Das ist anders als beim Flachwebstuhl, wo die Kettfäden waagerecht sind und man ein Schiffchen hin- und herjagt. Hier habe ich so kleine Knäuel, Puschel nennen wir die, die habe ich aus mehreren Garnen zusammengestellt, die leicht unterschiedliche Farben haben, so bekomme ich melierte Mischungen. Damit webe ich in diese einfarbig-graue Kette hinein, sodass hinterher nur noch der Schuss zu sehen ist, und die Kette völlig bedeckt ist.
Hinter den Kettfäden habe ich eine Zeichnung befestigt, auf der die Umrisse des Motivs zu sehen sind, das ich weben möchte. Hier habe ich meinen kleinen Entwurf, im Maßstab 1:10, also deutlich kleiner als das Original später.
Es geht kein Faden ganz durch, sondern ich habe mehrere Knäuel. Ich will ja eine schattierte Fläche haben. In der Mitte ist es heller, zum Rand hin wird es dunkler. Die Puschel laufen aufeinander zu und voneinander weg, aber kreuzen tun sie sich nicht. Es gibt dann immer so kleine Löcher da, wo ich sozusagen umkehre. Bei diesem Schattieren ist das immer an einer anderen Stelle, aber das ist nicht grundsätzlich so. Bei anderen Paramenten gibt es auch mal so lange Geraden, wo ich an derselben Stelle mehrfach mit dem Puschel umkehre. Dort entsteht dann ein kleiner Schlitz, das kann man auch musterbildend einsetzen. In der Zeichnung hat man dort meistens einen Bleistiftstrich, und wenn ich die Schlitze offenlasse, gibt es einen kleinen Schatten, das wirkt dann ähnlich wie dieser Bleistiftstrich auf der Zeichnung. Oder aber ich nähe den Schlitz zu, wenn mich der Schatten stört. Damit kann man verschieden umgehen, je nachdem, wie es aussehen soll.
Entwurf: Dorothee Fiedler
Ratzeburger Dom. Entwurf: Ingeborg Hildebrandt
Unsere Kunden sind überwiegend Gemeinden aus Norddeutschland, aber auch manchmal von weiter weg. Es gibt mehrere Paramentenwerkstätten in Deutschland, und sie haben jeweils einen eigenen Stil. Daher kommt es auch gelegentlich zu Aufträgen aus Würzburg oder Krefeld oder so. Wir haben auch schon mal ein Stück nach Österreich verschickt. Meistens arbeiten wir für evangelische Kirchen. Die evangelische und die katholische Kirche haben unterschiedliche Traditionen, was das Zeigen der liturgischen Farben angeht: In der katholischen Kirche wird die liturgische Farbe in der Regel am Gewand gezeigt, sie verwenden verschiedenfarbige Kaseln und Stolen. In der evangelischen Kirche verwenden wir die Farbe meist im Raum, am Altar, an der Kanzel und am Lesepult, manchmal auch an der Wand. Gelegentlich fertigen wir auch mal eine Stola für einen katholischen Priester, aber das ist eher die Ausnahme. Stolen werden auch in der evangelischen Kirche manchmal getragen, und wir bieten an, Stolen aus denselben Materialien zu fertigen wie die Paramente, damit es dann wirklich aus einem Guss ist.
Diese Stola ist auch auf dem Hochwebstuhl von Hand gewebt und ist für besonders festliche Anlässe, zum Beispiel für die Osternacht: alle Farben lösen sich ins Weiße hin auf.
Ich lade jede Gemeinde, die bei uns anfragt, als erstes hierher ein, und häufig kommen sie auch. Dann zeige ich ihnen diese Ausstellungsstücke, damit sie einen Eindruck bekommen, was möglich ist, und damit sie auch selbst Ideen entwickeln, was sie haben möchten. Wenn ich die Gemeinden besuche, kann ich nicht alle Beispiele aus der Werkstatt mitnehmen. Die Paramente hängen oft an die vierzig Jahre in einer Kirche, das will also schon überlegt sein, was man da macht. Manchmal wären Gemeinden auch schnell entschlossen, aber ich arbeite so viele Stunden daran, dass ich auch sicher sein möchte, dass das, was ich mache, wirklich gut ist und dahin passt. Dass man nicht hinterher sagt, och, das hatten wir uns irgendwie anders gedacht. Deswegen ist im Vorfeld eine Menge Kommunikation nötig. Und das fängt damit an, dass die Gemeinden mich besuchen und sich diese kleine Ausstellung und die Werkstatt anschauen.
Ich mache dann einen Entwurf, handgezeichnet, den schicke ich per Post. Und ich mache Fotomontagen, die ich entweder auch ausdrucke oder per E-Mail schicke, mit diesem Entwurf. Die Originale sind allerdings recht klein, meist im Maßstab 1:10.
Diesen liturgischen Wandbehang haben wir auch nach einem Entwurf von Dorothee Fiedler gemacht: der obere Teil bleibt hängen, und der untere ändert im Laufe des Kirchenjahres die Farben. Ein Unterteil fehlt gerade, weil ich das als Farbprobe jemandem mitgegeben habe. Jetzt ist Trinitatis-Zeit, da hängt grün; zu Pfingsten, Konfirmation, Reformationstag ist es rot, und zu Weihnachten und Ostern hängt weiß, ebenso zu Epiphanias.
Dies Kanzelparament wurde schon in den siebziger Jahren gemacht, wir haben zu unserem Jubiläum einen Flyer mit einem Ausschnitt daraus gestaltet.
Man kann hier sehr schön sehen, dass die Stücke vom Material her keinen Schaden nehmen. Das könnte auch gerade erst gemacht worden sein, da ist nichts verschossen oder so, nichts hat sich verändert. Für das Plakatmotiv war das toll. Ich sammele gerade ein paar Paramente wieder ein für die Ausstellung zum 60. Geburtstag unserer Werkstatt. Es ist ganz schön, sie nochmal wiederzusehen. Die Kirchen schicken sie uns als Leihgabe für die Ausstellung zurück. Das machen die Gemeinden auch gerne, sie fühlen sich dann ein bisschen geehrt, dass ihr Parament in der St. Marien-Kirche in Lübeck ausgestellt wird.
Es gibt auch Entwurfsideen, die einfach gut sind, die wir auch schon mehrfach umgesetzt haben. Das mit dem Riss zum Beispiel. Einfach dadurch, dass ich das hier als Ausstellungsstück habe und Leute das immer wieder angesprochen haben, haben wir das in verschiedenen Proportionen und verschiedenen Farben und in Details immer wieder unterschiedlich gemacht. Die Idee haben wir also mehrfach umgesetzt, aber man muss es ja trotzdem in jedem Format wieder neu zeichnen. Ansonsten machen wir eigentlich keine Serien, es sind alles Einzelstücke.
Mit Entwurf, Beratung, Ausführung kostet so ein durchschnittliches Stück am Ende vier- bis fünftausend Euro. Wie lange ich damit beschäftigt bin, kommt natürlich ein bisschen darauf an, wie schnell die Gemeinde sich entschließt – von der ersten Anfrage bis zur Übergabe des Paraments vergeht meist mindestens ein halbes Jahr. In dem ich natürlich auch noch andere Dinge mache. Die reine Webzeit sind ungefähr 120 Stunden. Es kommt aber auch auf das Motiv an. Die Kunden wollen, wenn sie zum ersten Mal anrufen, natürlich als aller-aller-erstes wissen, was es kostet. Daher arbeiten wir mit Pauschalen und sagen: der Entwurf kostet soundsoviel, und wenn ich Sie besuchen komme, kostet es das, und ein Quadratmeter Gobelingewebe kostet im Augenblick 3700,- €. Das ist aber nicht völlig realistisch, weil es nicht bei jedem Entwurf gleich ist. Das, was ich jetzt webe, geht im Moment relativ zügig, aber wenn ich dann an diese Linie komme, wo es interessanter wird, geht es langsamer voran. Und es gibt ja ganz unterschiedliche Motive, manche gehen einfach schneller zu weben als andere.
Das mit den Quadraten mit den Buchstaben drin hat ewig gedauert, da hat Dorothee Fiedler vielleicht drei Buchstaben am Tag geschafft.
Entwurf: Dorothee Fiedler
Teilweise färben wir die Garne auch selbst ein, weil es die Töne gar nicht zu kaufen gibt. Gerade helle Violett- und Grüntöne, die im Kirchenjahr sehr wichtig sind. Der ganze Sommer ist ja grün, die sogenannte festlose Zeit, und das nächsthäufige ist violett, das wird in der Adventszeit und in der Passionszeit benutzt.
Man kann heute noch Weber lernen. Es gab kürzlich eine Reform der Ausbildungsordnung, es heißt jetzt »Textilgestalter im Weberhandwerk«. Denn es sind natürlich auch immer gestalterische Anteile drin, in der Arbeit und der Ausbildung, sonst würde das nicht funktionieren. Maschinenweber kann man sicher auch ohne gestalterische Anteile werden, aber beim Handweber ist das nicht sinnvoll.
Ich selbst habe eine Ausbildung zur Handweberin gemacht, dann die Meisterprüfung und eine Zusatzausbildung „Gestalterin im Weberhandwerk“. Das waren noch mal fünf Semester berufsbegleitend, mit Kunstgeschichte, Farbgestaltung, Zeichnen und so weiter. Ich hatte schon während der Schulzeit ein Praktikum in einer Weberei gemacht, und vorher hatte ich auch schon den alten Webstuhl, der jetzt auf dem Flur steht. Ich konnte also schon ein bisschen weben. Dann habe ich das Praktikum gemacht, in den Sommerferien, das war sehr motivierend, weil die Meisterin, die mich da angeleitet hat, völlig überzeugt war: na klar wirst du Weberin. Und dann habe ich alle anderen Studienpläne an den Nagel gehängt und bin Weberin geworden.
Nach der Ausbildung habe ich die ersten acht Jahre eine Werkstatt mit Behinderten geleitet, in Celle, das war auch prima. Währenddessen habe ich mich weitergebildet zur Meisterin und Gestalterin, und dann habe ich vor 15 Jahren hier angefangen.
Wir gehören zur Evangelischen Stiftung Alsterdorf in Hamburg, und wir sind hier vier Frauen auf 1,7 Stellen. Ich habe eine volle Stelle. Auch wenn wir zur Stiftung gehören, müssen wir kostendeckend arbeiten. Das ist schwierig, aber wir arbeiten dran. Und wir schaffen es auch beinahe. Ein Förderkreis hilft, das Defizit auszugleichen. Um Akquise, Aufträge und Entwürfe und all das müssen wir uns natürlich selbst kümmern. Es ist wunderbar, zu der Stiftung zu gehören, weil wir einfach flüssiger sind. Wenn die erste Anfrage für ein Parament im Februar kommt, dann hat man schon einiges gemacht, bis man im September die Rechnung schreiben kann. Das ist als Selbständige schwer durchzuhalten, da ist es mit der Stiftung Alsterdorf doch sehr viel leichter.
Man wird auch anders wahrgenommen, wenn man so eine große Einrichtung im Rücken hat wie die Ratzeburger Paramentenwerkstatt, die es jetzt schon sechzig Jahre gibt, als wenn ich selbstständig wäre und Schals und Tischdecken machen würde und gelegentlich mal ein Parament.
Ich sitze total gerne allein hier am Webstuhl und webe und webe und webe. Das macht mir Spaß. Die Farben zusammenzustellen, zu gucken, wenn ich jetzt diese Nuance mit dieser Nuance kombiniere, was kommt dann dabei raus, passt das mit dem zusammen, was ich entworfen und verabredet habe. Und dann ist es aber auch schön, den Wechsel zu haben, die Gemeinden zu besuchen und mit ihnen in ihrem Raum zu gucken, meistens in ungefähr anderthalb, zwei Stunden, was können wir hier so verändern, dass es unser Raum ist, der Raum der Gemeinde, dass alles ins rechte Licht gerückt ist und den Gottesdiensten eine gute Atmosphäre gibt, die gerade zu dieser Zeit passt. Es macht großen Spaß, das mit den Gemeinden zusammen zu entwickeln.
Man merkt immer wieder, dass ganz unterschiedliche Leute, was Proportionen angeht, ganz ähnliche Empfindungen haben. Vorher, wenn man nur Fotos anguckt, sagen die einen, dies ist schön, und die anderen, das ist schön, aber wenn man es dann im Raum ausprobiert, ist meistens schnell klar, dass der Raum doch viel vorgibt. Die Leute darauf aufmerksam zu machen und gemeinsam etwas zu entwickeln, das gefällt mir.
Gelegentlich gibt es natürlich auch kleine Enttäuschungen. Man hat mit den Menschen besprochen, wie es werden soll, und dann ist es fertig und man bittet sie, ein Foto zu schicken, wie das Parament jetzt bei ihnen hängt. Und dann liegt da ein komplett unpassendes Altartuch drauf und man denkt: das kann ja wohl nicht wahr sein. Das haben wir doch geübt! So hatten wir es uns nicht vorgestellt.
Die umgekehrte Enttäuschung, dass es den Gemeinden dann doch nicht gefällt, gibt es selten. Wir mussten jedenfalls noch nichts zurücknehmen. Aber sie kommen ja auch zwischendurch mal her und gucken, sie wissen schon vorher sehr genau, wie es aussehen wird. Wir haben auch etwas größere Probestücke, sodass sie die Farben genau sehen können.
Anfang des Jahres habe ich ein Parament aufgehängt, da war die Pastorin mehrfach hier gewesen, und ich war mehrfach dort gewesen, wir hatten alles viele Male besprochen, aber als wir es aufhängten, war ein ganz grauer Tag, da kam das neue Parament nicht so toll rüber. Wenn jetzt die Sonne draufscheint, sieht es gleich ganz anders aus, und dann war die Gemeinde auch zufrieden.
Wenn wir einen Raum vorfinden, versuchen wir immer, ihm mit einem Parament jeweils eine stimmige Atmosphäre zu geben. Es verändert den Raum ja deutlich, wenn die Farbe am Altar ausgetauscht wird, aber alle Paramente sehen aus, als ob sie da hingehören.
Der Ratzeburger Dom ist natürlich ein guter Ort für diese Werkstatt. Ich bin auch ein bisschen eingebunden in der Gemeinde, singe im Chor, und wir haben hier immer ein Mittagsgebet, das halte ich gelegentlich. Mein Büroraum liegt eigentlich schon in der Kirche. Wenn im Dom Orgel gespielt wird, dann höre ich das da.
»Die Puschel laufen aufeinander zu und voneinander weg, aber kreuzen tun sie sich nicht.«
Webseite: Ratzeburger Paramentenwerkstatt
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Das ist ja phantastisch schön!
Hallo Ihr »Was machen die da?«-Erklärer,
danke für diesen schönen Bericht, und überhaupt für die tolle Blog-Idee!
Lese ich immer wieder gerne und mit Interesse!
Frau Niemeyer, Sie haben da eine schöne Aufgabe gefunden, oder das Weben eben Sie :). – Und Isa und Max, ich weiß gar nicht so sehr warum, aber das hier ist für mich das bisher schönste Portrait von euch.
Jetzt wieder an alle: Danke für die Einblicke!
Liebe Kathrin, ich habe eine persönliche Frage; Ich hoffe, ihn nicht zu stören. Wart Sie im Sommer 1987 in Calella de Mar gewegen? Wenn die Antwort ja ist, Ich heisse Albert :-)