Stephanie Töwe, Campaignerin bei Greenpeace

Eingang Greenpeachehaus

Hier im Greenpeacehaus haben wir eine kleine öffentliche Ausstellung, einen Rundgang durch unsere Themen. Es geht darum, Greenpeace vorzustellen, also: Was ist Greenpeace, wie ist die Umweltschutzorganisation organisiert, wie sind wir weltweit aufgebaut, wie sieht es hier in Deutschland aus? Wir arbeiten zu drei großen Themenbereichen. Das ist der Bereich Energie, von Atom über Klimaschutz, Kohle bis zum Verkehr. Dann haben wir den Bereich Biodiversität, also Waldschutz, Meeresschutz, Artenschutz. Und als drittes den Bereich Nachhaltige Landwirtschaft und Chemie, in dem ich arbeite. Beim Thema Chemie arbeiten wir im Moment überwiegend zu Kleidung, vor allem zu Wasserverschmutzung in China durch die Bekleidungsindustrie. „Nachhaltige Landwirtschaft“ ist noch mal aufgefächert in Pestizide und Gentechnik und alles, was sich um ökologische Landwirtschaft rankt.

Stephanie Töwe

Greenpeace finanziert sich ausschließlich über Spenden. Wir bekommen keine staatlichen Fördergelder, und wir nehmen auch kein Geld von Firmen und Parteien an. Wenn eine bestimmte Spendensumme überschritten wird, gucken wir sehr genau, ob wir das annehmen können. Damit wir weiterhin unabhängig agieren können. Wir in Hamburg sind die Deutschlandzentrale, wir sind das größte Greenpeacebüro weltweit. Es gibt Greenpeacebüros in über vierzig Ländern. Und dann gibt es noch Greenpeace International in Amsterdam, da wird die internationale Arbeit koordiniert.

In jedem Land sind die Bedingungen, unter denen man agieren kann, unterschiedlich. In China sieht es anders aus als in Deutschland oder irgendwo in Afrika. Es gibt auch viele Büros, die nicht so eine Unterstützung aus der Bevölkerung erfahren wie wir hier, oder wo Greenpeace überhaupt nicht bekannt ist. Da schaut Greenpeace International, wie man diese Büros weltweit unterstützen kann. Wir haben eigentlich alle die gleichen Ziele, die erarbeiten wir auch gemeinsam. Wir arbeiten überhaupt sehr international und haben viel Austausch, man hat immer mit den Kollegen in aller Welt Kontakt. Wenn wir zu neuen Themen arbeiten, setzen wir gemeinsam die Ziele fest, fragen, was können wir erreichen, in welcher Zeit, wo wollen wir langfristig gemeinsam hin.

Ausstellung Meeresschutzkampagne

Es gibt natürlich auch Kampagnen, die nur national stattfinden, etwa alles, was mit regionaler Landwirtschaft oder regionalem Waldschutz zu tun hat. Wobei bei der nationalen Arbeit durchaus etwas herauskommen kann, Regulierungen oder Gesetze oder Verbote, die auch auf europäischer Ebene eine Rolle spielen können und vielleicht weltweit als Beispiel dienen. Die Gegebenheiten sind aber überall anders und die Unterschiede recht groß.

Wie groß unser Einfluss auf politische Entscheidungen ist, hängt von den Kampagnen ab. Politische Entscheidungen will man mit den Kampagnen immer als erstes beeinflussen. Das ist auch der Job des Campaigners.

Hocker mit Greenpeacelogo

Einfluss auf den Markt und auf die Politik hast du nur, wenn du sehr lange an einem Thema dranbleibst und nicht nur mal kurz draufspringst und wieder verschwindest. Deswegen arbeiten wir immer langfristig zu Themen. Wir haben schon Einfluss, wenn auch manchmal nicht so, wie wir uns das wünschen. Aber man kann bei ganz vielen Sachen sehen, dass es sie vielleicht immer noch geben würde, wenn NGOs wie Greenpeace nicht dazu gearbeitet hätten. Zum Beispiel die Dünnsäureverklappung in der Nordsee. Damit fing alles an, die wurde aufgrund unserer Aktionen irgendwann verboten. Oder andere Chemikalien oder Pestizide – dafür gibt es jetzt Gesetze und Richtlinien. Dass diese Gesetze überhaupt geschaffen wurden und dass es Prüfinstanzen gibt, dafür hat es lange Kampagnenarbeit gebraucht. Das sind dann Erfolge, wo man weiß, dass man auf jeden Fall politischen Einfluss hat.

Slogan "Tu was!"

Unser Image hat sich auch ein bisschen gewandelt. Inzwischen ist viel mehr Menschen klar, dass wir nicht nur ein paar Ökospinner sind, sondern auch fundiert politisch und wissenschaftlich arbeiten, und dass wir viel mehr machen als vereinzelte Aktionen zu einem bestimmten Thema. Auch in der Politik und in der Wirtschaft ist es angekommen, da werden wir auf Augenhöhe wahrgenommen, man hört uns zu. Wir werden an Runde Tische eingeladen oder gefragt, ob wir unsere Expertise zu einem Thema preisgeben können, ob wir etwas aus Umweltschutzsicht problematisch finden, oder welche Vorschläge wir konkret für eine Gesetzesänderung haben, oder wie Kontrollen durchgeführt werden können …
Ich mache das schon ziemlich lange, ich bin seit 16 Jahren fest bei Greenpeace, vorher hatte ich hier schon einen Studentenjob, da sieht man gut, was sich verändert hat und wie man in der Diskussion inzwischen wahrgenommen und akzeptiert wird.

Greenpeachebroschüren

Auch Einzelhändler oder große Hersteller kommen auf uns zu, und sie stehen uns auch Rede und Antwort. Wir geben beispielsweise einen Ratgeber zum Thema Fisch heraus, in dem wir bewerten: welchen Fisch kann man überhaupt noch essen, wie wurde er produziert, aus welchen Fanggebieten kommt er. Die Hersteller wissen, wir kommen jedes Jahr und fragen, wie das bei ihnen läuft. Der Ratgeber funktioniert super, der ist bekannt. Das gleiche haben wir jetzt beim Ratgeber „Essen ohne Gentechnik“. Da sind wir mit den großen Supermarktketten im Gespräch, weil sie diejenigen sind, die das an den Mann und die Frau bringen. Sie haben inzwischen einen großen Anteil von Produkten, die keine Fremdmarken sind, sondern Eigenmarken der Supermärkte. Bei diesen Eigenmarken setzen wir an, weil diese extra für die Supermärkte produziert werden, da haben sie Einfluss drauf, wie das hergestellt wird. Und das interessiert die großen Ketten tatsächlich auch! Edeka und Rewe haben in den letzten Jahren Nachhaltigkeitsprojekte und –richtlinien entwickelt, sie setzen sich ernsthaft mit dem Thema auseinander. Das sind nicht nur einzelne Leuchtturmprojekte, mit denen man sich ein bisschen grünwaschen und ein bisschen schmücken will, sondern da steckt was hinter. Als Unternehmen muss man dafür richtig Geld in die Hand nehmen, vieles kann man nicht kurzfristig machen. Man muss als Unternehmen eine Vision haben, wo man hinwill. Ich glaube, das kommt nach und nach auch bei den Discountern an, die eigentlich eine andere Philosophie haben und auch den Verbraucher dazu erzogen haben, nämlich: billig, billig ist gut. Heute schieben sie gerne dem Verbraucher die Schuld in die Schuhe und beklagen sie sich darüber, dass der Verbraucher es billig haben will. Da sagen wir, ihr habt sie ja selbst dahin erzogen, dass das Hähnchen nur 2,49 kostet, also müsst ihr den Leuten jetzt auch erklären, warum das so billig ist, beziehungsweise welche wahren Kosten dahinter stecken, welche Schäden es anrichtet, die der Verbraucher später als Steuerzahler teuer bezahlen muss.

Schild "Green teams"

Ich merke jedenfalls: die Arbeit lohnt sich. Weil wir durchaus Erfolge haben und Einfluss haben. Sonst könnte ich das gar nicht machen, das wäre ja wie dauernd gegen die Wand zu rennen.
Die Arbeit ist ein bisschen wie Wandern. Du gehst los und hast den ersten kleinen Berg erreicht und denkst, super, ich habe was geschafft. Dahinter tut sich aber ein noch viel höherer Berg auf. Manchmal habe ich das Gefühl, ich muss auch wieder runtersteigen und wieder ganz ins Tal und nochmal von vorne anfangen. Es passiert immer wieder, dass sich Sachen wiederholen. Das hat damit zu tun, dass sich Regierungen verändern, dass man neue Konstellationen hat, dass andere Marktteilnehmer auftreten, dass die Globalisierung eine andere Rolle spielt. Wenn wir über Wasserverschmutzung in China sprechen, gehen wir internationale Unternehmen an, aber wir wollen natürlich auch in China Regulierungen verändern. Und das ist eine ganz andere Arbeit als hier in Europa, da geht es um einen ganz anderen Einfluss, da braucht man einen wahnsinnig langen Atem.
Wir erleben auch immer wieder Rückschritte. Wenn Unternehmen z.B. aus Selbstverpflichtungen wieder aussteigen, dann hat man das Gefühl, och nee, das ist jetzt ein echtes Foul. Aber da kann man nicht beleidigt vom Platz gehen, sondern weiß: Schuhe wieder an, Spiel geht weiter.

Greenpeacetransportkiste

Ich arbeite zum Thema „nachhaltige Landwirtschaft“. Das ist breit aufgefächert, meine Themen sind unter anderem Gentechnik oder Bienen oder Pestizide. Im Moment mache ich viel zum Thema Fleisch, Fleischkonsum, wie wird Fleisch produziert, was steckt dahinter. Wir wollen zu einer nachhaltigeren ökologischeren Landwirtschaft, weil wir sagen, die industrialisierte Landwirtschaft können wir uns auf Dauer nicht leisten – sie gehört zu den größten Artenvernichtern weltweit. Wir brauchen andere Wege. Einmal, um die Welternährung zu sichern, aber auch um die begrenzte Ackerfläche, die uns zur Verfügung steht, zu schützen.

Kampagnenposter Genfood
Wie lange man sich mit einem konkreten Thema beschäftigt, ist ganz unterschiedlich. Zum Thema Gentechnik arbeite ich schon seit 16 Jahren, damit habe ich angefangen. Zwischendurch habe ich mal ein, zwei Jahre zum Thema Chemikalien gearbeitet, und zum Thema Fleisch bin ich jetzt über die Gentechnik gekommen, weil ich zu gentechnisch veränderten Futtermitteln gearbeitet habe. Wenn man über Futtermittel und billige Fleischerzeugung spricht, dann geht es aber nicht nur um gentechnisch veränderte Soja, sondern um alles, was diese Fleischerzeugung ausmacht und welche ökologischen Folgen das hat. Es geht um Klimawandel, Düngung, Tierhaltung, Landnutzung und so weiter.

DSC_0062

Wir arbeiten immer im Team, und wir bringen alle unterschiedliche Expertisen mit. Wir haben studierte Agrarwissenschaftler, Umwelttechniker, Chemiker, Nachhaltigkeitsexperten, Biologen. Ich gehöre zu denen, die ein wenig aus der Rolle fallen. Ich habe Kulturwissenschaften studiert, mit Schwerpunkt Geschichte und Kommunikation, und habe einen Magister in Geschichte. Ich bin über einen Studentenjob hier gelandet. Ich habe aber schon immer stark politisch gearbeitet, allerdings früher meist eher im Antifa-Bereich. Ich habe damals lange überlegt, was ich eigentlich machen will. Kulturwissenschaften ist ja von allem etwas, ein bisschen Philosophie, ein bisschen Germanistik und das große Thema Kommunikation. Da gehört auch PR dazu, und da war mir schnell klar, so richtig Public Relations für ein Unternehmen werde ich nie machen können. Ich wollte dann lange Journalistin werden und dachte, dafür ist es ja gut, einen breiten Wissensschatz zu haben. Während des Studiums hatte ich verschiedene Jobs, war lange beim NDR in der Tagesschau-Redaktion, habe bei der ZEIT im Ressort Politik gearbeitet, verschiedene Praktika gemacht, und eine Zeitlang war ich in Madrid und habe beim Korrespondenten der FAZ ein Praktikum gemacht. Das war der Moment, in dem mir klar wurde, Journalistin werde ich nicht. Das journalistische Schreiben lag mir nicht.

Totem im Greenpeacehaus

Als Campaigner ist man für langfristig definierte Ziele verantwortlich. Wir wollen beispielsweise, dass Pestizide reduziert werden, oder dass gefährliche Pestizide gar nicht mehr zum Einsatz kommen, oder dass keine gentechnisch veränderten Pflanzen mehr angebaut werden. Der Campaigner legt die Gründe dar, warum wir als Umweltschutzorganisation etwas für problematisch halten, und welche Alternativen zur Verfügung stehen. Wir gucken, was für wissenschaftliche Studien es gibt, oder wir geben selbst Studien in Auftrag, wir untersuchen Abwässer, Gewässer, Boden, Pollen, Futtermittel, und wir testen Obst und Gemüse auf Pestizide. Wenn man 16 unterschiedliche Pestizide auf einer Weintraube nachweisen kann, kann man auch sagen, ihr habt hier ein echtes Rückstandsproblem. Ganz oft ist es tatsächlich so, dass die Unternehmen, die die Lebensmittel unter ihrem eigenen Markennamen verkaufen, gar nicht wissen, was auf dem Acker passiert und was wirklich drin ist.

Tisch mit Greenpeacelogo

Wir machen eine Analyse, definieren ein Ziel und fragen uns: was können wir in einer bestimmten Zeit erreichen, wo wollen wir hin? Ist es vielleicht auch politisch gerade ein Thema, dass eine Richtlinie verändert wird, wo können wir die beeinflussen, wo können wir sagen, das ist zu schwammig oder zu schwach, was ihr da macht, das kann so nicht laufen? Wir erarbeiten mit Juristen zusammen konkrete Vorschläge, wie ein Gesetzestext anders aussehen könnte.

Wimpel "Rettet die Wale"

Wir sind dafür verantwortlich, die Kommunikation mit der Politik aufzubauen, mit den zuständigen Politikern zu sprechen, mit den Experten, mit den Labors, aber wir sprechen auch mit den Marktteilnehmern. Wir treten an die Firmen heran und sagen: Wir würden uns gerne vorstellen, wir würden das Problem gern diskutieren und wir würden gern unsere Lösungsansätze aufzeigen.
Manchmal gibt es auch keine Lösungen. Oder noch nicht. Dann müssen welche entwickelt werden. Das fordern wir auch von den Unternehmen.

Kampagnenplakate im Greenpeachehaus

Und wir das Thema bekannt gemacht und mit den Firmen oder Politikern Kontakt aufgenommen haben, und wir kommen kein Stück voran, dann kommt z.B. die klassische Greenpeace-Aktion. Dann protestieren und demonstrieren wir oder versuchen, in einer anderen Form darauf aufmerksam zu machen, dass uns das wirklich wichtig ist. Unser Motto ist „bearing witness“. Man geht irgendwohin und legt Zeugnis ab. Das kommt noch aus der Zeit, als Leute mit Schiffen losgefahren sind, um Atomtests aufzuhalten. Wir gehen an den Ort des Geschehens, dorthin, wo die Umweltverschmutzung stattfindet. Wobei wir in Deutschland gar nicht mehr so fürchterlich verschmutzte Flüsse haben wie früher. Die Umweltverschmutzung ist nicht mehr so offensichtlich wie noch in den 70er oder 80ern. Wir zeigen aber immer noch auf, warum z.B. Kohlekraftwerke schädlich sind oder wieso die Massentierhaltung ein Umweltproblem darstellt. Die umweltschädliche Industrie ist inzwischen weitgehend ausgelagert in andere Länder. Wir fahren dort hin und nehmen Wasserproben und so weiter. Dann kommt es drauf an, wie es in den Ländern eben ist – in China ein Abwasserrohr dichtzumachen, ist nicht so einfach, wie es das hier vielleicht wäre. Da gefährdet man Aktivisten womöglich.

Kampagnenflyer "Grüner Strom"

2013 saßen dreißig Kollegen in Russland im Gefängnis, weil sie auf eine Ölbohrinsel klettern wollten, um darauf hinzuweisen, dass in einem sensiblen Naturgebiet nach Öl gebohrt werden sollte. Die Leute waren drei Monate im Gefängnis.

Greenpeacheschlauchboot

Diese Aktivisten werden nicht von uns losgeschickt; das sind Leute, die das von sich aus machen. Es ist nicht so, dass ich als Campaignerin sage: Du, du und du, ihr fahrt jetzt mal da hin. Wir wägen schon ab, was man tut, das ist alles gut durchdacht; wenn jemand an einer Fassade oder an einer Bohrinsel hochklettert, ist Sicherheit das A und O. Und die Konsequenzen, die man möglicherweise tragen muss, bespricht man natürlich auch. Man weiß schon, was einem auch rechtlich gegebenenfalls blühen kann. In diesem Fall war es völlig unerwartet, weil wir ein Jahr vorher die gleiche Aktion schon mal gemacht hatten. Das war ein friedlicher Protest, da sollte nur ein Banner gehängt werden – zum Schutz der Arktis vor Ölbohrungen. Unsere Aktionen sind ja immer gewaltfrei, das ist das oberste Gebot. Es hat niemand damit gerechnet, dass mit so einer Brutalität gegen die Aktivisten vorgegangen wird.

Greenpeacehaus außen

„Aktivist“ ist kein bezahlter Posten, den man hier haben kann, es gibt keine Berufsaktivisten. Ein Campaigner kann auch Aktivist sein. Wenn ich bei einer Aktion mitmachen möchte, kann ich das tun. Aber normalerweise bin ich diejenige, die danebensteht und die Sache begleitet, wenn Aktivisten aus eigenem Entschluss etwas machen. Ich versuche nach außen hin zu erklären und zu legitimieren, warum Greenpeace meint, diese Aktion durchführen zu müssen.

Buch "Die Kampagnenmacher"

Es gibt hier in Deutschland viele ehrenamtliche Greenpeacer, die sich unterschiedlich engagieren, von kleinen Infoständen über kreative Aktionen vor Supermärkten oder Modeketten bis hin zu den Aktivisten, die Schlauchboot fahren oder klettern. Sie bringen alle unterschiedliche Qualifikationen mit. Wenn Leute etwas ehrenamtlich mit voller Leidenschaft tun, sind das für mich immer die tollsten und schönsten Begegnungen meines Greenpeace-Daseins. Ich finde es immer wieder bemerkenswert, dass so viele Menschen ihre freie Zeit nutzen, sich so für die Umwelt zu engagieren und sich in solchen Aktionen einzusetzen, und dafür manchmal echt was riskieren und notfalls sogar ins Gefängnis gehen. Das sind großartige Menschen, ich bewundere das wirklich.

Ein Flur im Greenpeacehaus

Ich arbeite im Moment auf nationaler Ebene zum Thema Fleisch, konkret zu McDonald’s Deutschland, das ist ein sehr … beratungsresistentes Unternehmen. Es war nicht so einfach, mit denen in Kontakt zu treten und ihnen zu vermitteln, warum wir zu diesem Thema mit ihnen sprechen möchten und was sich verändern muss. Erst nachdem wir der Zentrale des Unternehmens in München einen „kreativen“ Besuch abgestattet haben, begann ein vorsichtiger Austausch.

Poster McDonald's-Kampagne

Manchmal veranstalten wir auch sogenannte Gruppenaktionstage. Wir haben ein Unternehmen, das wir kritisieren, und wir präsentieren dem Unternehmen dann unsere Kritik gern in den einzelnen Städten vor den Filialen, z.B. mit Plakaten, Label-Aktionen, Sprühkreide und Schablonen, Flashmobs oder, oder.

Kampagnenaufkleber "Rettet die Bienen"

Wir wissen natürlich, dass es oft einfach ökonomische Gründe hat, warum ein Unternehmen etwas nicht umsetzt. Für viele Lösungen muss ein Konzern erstmal eine Menge Geld in die Hand nehmen. Da geht es uns darum, dass die Unternehmen langfristig dranbleiben. Es nützt wenig, irgendwelche Sachen kurzfristig zu machen, oder nur so zu tun, aus denen sie auch morgen wieder aussteigen können. Das ist nicht die Art von Nachhaltigkeit, die wir bewirken wollen.

Kampagnenaufkleber Kohle

Die Arbeit bei Greenpeace hat meinen privaten Konsum natürlich stark beeinflusst. Aber ich bin immer noch kein Engel. Es gibt auch in meinem alltäglichen Leben und Konsum Dinge, die ich anders machen könnte. Besser. Wo mich die Bequemlichkeit einholt, oder wo ich, wie viele andere auch, irrational handle, weil ich etwas einfach haben will. Aber es geht anders, und daran arbeite ich jeden Tag, weil gedankenloser Konsum immense Folgen weltweit hat. Ich weiß, dass mein Konsum keine Privatsache ist.

Buch "Atlas der Globalisierung"

Ich kaufe ökologisch erzeugte Lebensmittel. Wenn nicht, dann ist es meistens im Restaurant, da ist es mir auch mal egal, weil das Essen gut schmeckt und es ein geselliger Abend ist. Zu Hause achte ich allerdings sehr darauf, wo und wie ich Lebensmittel einkaufe, verarbeite usw. Das gilt besonders für Fleisch, wir essen ganz wenig Fleisch. Ich war jahrelang komplette Vegetarierin, meine Tochter ist Vegetarierin, mein Sohn ist allerdings Fleischesser. Und wenn er sich das sehr wünscht, gibt es eben für ihn Ökofleisch, aber auch sehr reduziert. Wenn man einmal in konventionellen Ställen war, wenn man sich die Massentierhaltung mal angeschaut hat … ich kann das nicht mehr kaufen und essen, ein Hähnchen für 2,49, vollgepumpt mit Antibiotika und gentechnisch verändertem Tierfutter.

Aufkleber "Shell würde bohren"

Das gleiche gilt natürlich, seit wir die Detox-Kampagne machen, für Kleidung. Wir haben im Jahr 2006 schon mal zu Giftstoffen in der Bekleidungsindustrie gearbeitet, zu den Chemikalien, die zum Färben eingesetzt werden, oder um den Stoff knitterfrei zu machen oder wasserabweisend. Das war das erste Mal, dass ich darüber nachgedacht habe, woher das Zeug eigentlich kommt, das ich trage, wie es hergestellt wird. Das andere, was mich sehr bewegt, sind die Arbeitsbedingungen. Das tragen wir als Umweltschutzorganisation in unseren Kampagnen nicht unbedingt vorweg, aber die denken wir immer mit.

Wimpel im Greenpeacehaus

Dogmatismus ist immer schlecht, finde ich. Mir liegt daran, dass sich jeder selbst überlegt, wie er im Alltag damit umgehen will. Ich möchte nie mit erhobenem Zeigefinger vor den Verbrauchern stehen und sagen: Das dürft ihr nicht. Ich kann bestimmte Informationen liefern, Lösungen vorschlagen, aber dann muss sich jeder sein eigenes Bild machen. In dem Moment, wo jemand anfängt, sich damit auseinanderzusetzen, bewegt er schon etwas, weil es das alltägliche Handeln beeinflusst. Wenn ich weiß, wieviel Regenwald für einen Hamburger gerodet wird, wieviel CO2 ich mit dem Auto auf dem Arbeitsweg produziere, wieviel Wasser und Pestizide für die Produktion einer Jeans nötig sind, dann löst das etwas aus und macht den Umgang damit hoffentlich bewusster. Es bringt z.B. für den ökologischen Fußabdruck recht wenig, ökologisch erzeugte Lebensmittel einzukaufen, wenn ich mit dem Auto zum Markt oder Öko-Supermarkt fahre. Das Thema Konsum ist eine große Herausforderung, weil viele Menschen mit Verzicht oder „Weniger“ etwas Negatives verbinden.

Ordner von Stephanie Töwe

Am meisten Spaß machen mir zwei Dinge: das eine ist, wenn ich ehrenamtliche Aktivisten treffe und sehe, wie engagiert die sind und mit welcher Intensität sie dabei sind. Das motiviert mich! Und das zweite wirklich Großartige ist, wenn man ein Ziel erreicht hat. Wenn sich ein riesiges Unternehmen verpflichtet hat, keine Chemikalien mehr in der Bekleidung einzusetzen, oder komplett auf den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen zu verzichten. Das sind die Momente, wo ich sage: Ja! Da knallen hier auch mal die Sektkorken, und wir sagen uns, das haben wir uns jetzt auch verdient. Das sind tolle Momente!

Stephanie Töwe

»Dogmatismus ist immer schlecht, finde ich.«

Hier geht es zu Greenpeace.

5 Kommentare

  1. Eure Artikel müsste ich möglichst morgens, VOR der Arbeit, oder besser noch, an einem freien Tag lesen – dann könnte ich gleich etwas TUN! Das möchte ich jedenfalls meistens am liebsten sofort nach dem oder noch beim Lesen. <3

    [Kohlkraftwerke wären ja mal sehr innovativ! ;)]

  2. Ich mag Eure Artikel sowieso, dieser hier trifft meinen Nerv ganz besonders. Ich weiß schon, warum ich Strom von Greenpeace beziehe, auch wenn er etwas teurer ist als der lokale Anbieter.

    Ach, macht bitte weiter so!

  3. Moin,
    interessanter Artikel.
    Wie hoch ist das Gehalt einer hauptamtlichen Campaignerin?

    • Das wird man vermutlich am besten direkt bei Greenpeace erfragen können.

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